Digital Public Health Podcast

039 - Prof. Dr. Louisa Kulke: Eine Entwicklungspsychologin erklärt, was Bildschirme mit dem Gehirn machen

Digital Public Health Season 1 Episode 39

Schreib uns eine Nachricht

Im Gespräch mit Host Rasmus Cloes erzählte Louisa Kulke, Professorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Bremen, wie digitale Technologien unsere Wahrnehmung, unser Lernen und die Entwicklung sozialer Fähigkeiten beeinflussen – von Babys vor dem Tablet bis hin zu Erwachsenen in der KI-Ära.

Louisa Kulke erklärt, dass schon Babys den Unterschied zwischen realer und virtueller Welt erkennen. In Experimenten zeigte ihr Team: Selbst drei Monate alte Kinder merken, dass man mit Menschen am Bildschirm anders interagiert als mit echten Personen. Babys zeigen Interesse, halten aber soziale Regeln ein, sie starren zum Beispiel Fremde in der Realität nicht an, obwohl sie neugierig wären.

Kleine Kinder lernen nicht über Bildschirme – auch nicht mit „Peppa Pig“ auf Englisch. Erst echte soziale Interaktion ermöglicht Spracherwerb und Lernen. Dieses „Medien-Defizit“ nimmt mit dem Alter ab. Gleichzeitig warnt Kulke: Digitale Medien können süchtig machen, vor allem, wenn das Gehirn – noch in der Entwicklung – die Selbstkontrolle nicht vollständig beherrscht.

In ihrer Forschung vergleicht Louisa echte soziale Interaktionen mit Video-Calls und virtuellen Szenarien. Ergebnis: Selbst Video-Gespräche oder Virtual Reality erreichen nicht die emotionale Tiefe realer Begegnungen. Das Gehirn reagiert anders und soziale Regeln wie gegenseitiges Wegsehen oder nonverbale Signale funktionieren digital kaum. 

Louisa Kulke beschreibt, wie sich das Gehirn an digitale Reize anpasst. Wenn Kinder oder Erwachsene ständig 30-Sekunden-Videos sehen, gewöhnt sich das Gehirn an kurze Aufmerksamkeitszyklen – der „Dauerlauf“ langer Texte fällt schwerer. Trotzdem warnt sie vor Alarmismus: Jede neue Technik – vom Buchdruck bis zum Fernsehen – wurde zuerst verteufelt. Entscheidend sei, kritisch zu prüfen, was stimmt, ob bei TikTok, ChatGPT oder Tante Erna.

Kinder sollten digitale Medien erst unter Begleitung nutzen. Sie plädiert für frühe Medienbildung: Kinder sollen lernen, digitale Inhalte zu hinterfragen und selbst kreativ zu nutzen. Ihr Ausblick: Künftig will sie untersuchen, wie soziale Interaktionen mit Robotern funktionieren und ob Maschinen irgendwann menschliche Regeln wirklich verstehen können.

Timestamps

00:00 – Echte Welt vs. Bildschirm

04:10 – Lernen braucht Interaktion

08:15 – Warum Zoom & VR keine echten Begegnungen ersetzen

15:05 – TikTok, KI & das aufmerksame Gehirn

21:12 – Wann Kinder Medien nutzen sollten – und was Babys schon wissen

Staff:
Host: Rasmus Cloes
Producer: Maren Emde
Video Producer: Sebastian Budde

Abonniere den Kanal, um keine Folge zu verpassen, und hinterlasse uns gerne Feedback in den Kommentaren oder folge uns auf Instagram @digitalpublichealth #PublicHealth #healthtech #gesundheit #digitalpublichealth